Mein Kind hat Fieber – Nur Mut: Fieber ist ja schon das Heilmittel

Fieber macht vielen Angst – Fieberphobie bei Eltern und bei ÄrztInnen ist weit verbreitet. „Zum Glück gibt es ja fiebersenkende Mittel (im Kindes-und Jugendalter Ibuprofen und Paracetamol).“ So denken immer noch viele Eltern und leider auch Ärzte. Klüger allerdings wäre es, sich über das Fieber zu freuen: In der modernen Medizin findet gerade ein Paradigmenwechsel statt. Die heilende Qualität des Fiebers wird immer mehr geschätzt und wissenschaftlich gewürdigt. Die Kinder dürfen fiebern! So empfehlen es z.B. auch die Autoren im Deutschen Ärzteblatt (s.u.).

 

Warum ist Fiebern so gut?

 

R. Steiner gibt seinen Schülern auf, sich den Menschen nur in seiner Wärmekonfiguration vorzustellen. (GA 318, 1. Vortrag vom  2.1.1924). Wir „sehen“ dann nur die Wärmeintensität oder Wärmeverteilung. Heute können wir uns das gut vorstellen, wenn wir an die Bilder einer Wärmekamera denken. Schauen Sie sich den Erwachsenen und den Säugling im Schlaf an: Je wärmer, desto roter die Farbe im 

Bild. 

Nun versuchen Sie sich die Wärmekonfiguration noch 3-dimensional vorzustellen. Die verschiedenen Areale des Körpers, wie z.B. das Gehirn oder aber auch die Muskeln oder die inneren Organe sind, je nach Aktivität, intensiver oder schwächer durchwärmt. Wir Menschen sind hoch differenziert in unserer Wärme. Das Abtasten des äußeren menschlichen Organismus (sei es nun mit einer Wärmebildkamera oder den Händen) ist nur ein äußeres Abbild der inneren Wärmeprozesse! Diese Wärme ist Ausdruck unseres innersten Wesenskernes – unseres Ichs oder Selbstes, also unserer Individualität.

 

Im Fieber erhöht sich die Temperatur deutlich. Unser Ich ist intimer und intensiver an unserem Leib engagiert. Wir regenerieren, schützen und heilen ihn. Wir machen ihn individueller. Wir werden in diesem Prozess „eigener“ und können uns besser gegen unsere Umwelt abgrenzen. Beim Fiebermessen erfassen wir übrigens immer die Körperkerntemperatur – am genauesten im After. Bei größeren Kindern und Erwachsenen  auch unter der Zunge und immer häufiger im Ohr. Letzteres ist mit mehr oder weniger großen Fehlern behaftet. Fieber beginnt bei Kindern über einem Jahr ab 38,5 C.

 

Im Fieber sind alle Stoffwechselleistungen des Menschen um ein Vielfaches erhöht. Unser Immunsystem funktioniert schneller und kompetenter. Erreger sterben ab bei hohen Temperaturen oder können sich nur langsam vermehren.  

Es gibt sogar Hinweise darauf, daß Menschen, die intensive Fieberepisoden in ihrer Kindheit durchlebt haben, im Verlaufe ihres Lebens weniger Krebserkrankungen entwickeln. Und wenn Krebs schon eingetreten ist, fieberhafte Infekt den Verlauf günstig beeinflussen können. Die wissenschaftlich am besten untersuchte Arzneimittelpflanze unserer Zeit ist die Mistel. In der Misteltherapie ist eine grundlegende Heilwirkung, die Stimulation des Immunsystems mit daraus resultierender Körpertemperaturerhöhung bis hin zu Fieber!

 

Zurück zum fiebernden Kind: Je intensiver es fiebert,  umso weniger ist es „bewusst“, es kann nicht mehr so klar denken, es ist weniger wach. Manchmal zeigen sich sogar „Fieberträume“ – genauer Pseudohalluzinationen und Wahrnehmungsverschiebungen.  Das erklärt die Angst vor dem Phänomen Fieber. Die Kinder sind nicht mehr so, wie wir sie „sonst“ kennen, und das beunruhigt die Eltern oft am allermeisten.

 

Nun helfen wir den Kindern am besten, wenn wir das Fieber nur begleiten und nicht senken. Dafür gibt es viele verschiedene Möglichkeiten in der Komplementärmedizin: Sowohl medikamentöse Unterstützung, als auch äußere Anwendungen helfen dem Fiebernden erlebbar. Steigt das Fieber, beginnt der Kranke zu frieren (Schüttelfrost), fällt die Körperkerntemperatur wieder ab, fängt er an zu schwitzen.  Dies zu wissen ist sehr nützlich, denn im Schüttelfrost müssen wir den Patienten einhüllen und die Wärme schützen. Später, wenn die höchste Temperatur erreicht ist, müssen wir dem Patienten helfen, die Temperatur wieder los zu werden – wir decken ihn auf!

Ich vergleiche den Fieberverlauf  und die Fiebersymptome gerne mit den körperlichen Symptomen auf  einer Bergwanderung. Die Körpertemperatur steigt, die Atem- und die Herzfrequenz ebenfalls. Der Bergsteiger muss viel trinken und am besten auch ordentlich Energie zu sich nehmen (Kalorien), damit er die nötige Kraft zum Bergwandern (also zum Fiebern) hat. Aber der Bergwanderer, wie auch der Fiebernde brauchen leichte und schnell verwertbare Kost. Die Bedürfnisse des Fiebernden ändern sich unentwegt (wie auf einer Bergwanderung auch: Jacke auf, Jacke zu, Mütze auf oder ab, schon wieder etwas Trinken…) und müssen von den Eltern gut wahrgenommen und als Handlungsaufforderung verstanden werden. 

 

Fieber ist in seiner Höhe immer selbstlimitierend. Es wird nicht höher als max. 41,5 Grad Celsius steigen. 

Nun ist es weiterhin wichtig zu wissen, warum das Kind fiebert - wir müssen wissen, was das Fieber ausgelöst hat! Dennoch bleibt  das Fieber in (fast) jedem Fall das Heilmittel.  Beraten Sie sich deshalb bitte mit Ihrem Kinder- und Jugendarzt. Kinder im Alter unter einem Jahr sollten immer vorgestellt werden und nach 3 Tagen Fieber sollte jedes Kind einmal den Kinder-und Jugendarzt gesehen haben.

 

Achten Sie also vor allem auf den Allgemeinzustand ihres Kindes und nicht so stark auf die Höhe des Fiebers. Wenn sich der Allgemeinzustand  zunehmend verschlechtert (Kein Trinken mehr, keine oder wenig Urinausscheidung, Bewusstseinseintrübung, Kreislaufprobleme, blass-fahle Hautfarbe oder plötzlich auftretende Hautflecken und kaum Muskelspannung, starke Kopf- und Nackenschmerzen, etc.), dann ist die Vorstellung beim Kinderarzt sofort not-wendig. Das Fiebermessen ist deshalb wichtig, weil Sie den Verlauf der fieberhaften Krankheit gut mit ihrem Kinderarzt austauschen können – auch über das Telefon.

 

Abschließend noch ein wichtiger Hinweis zu Fieberkrämpfen. Die gute Botschaft: 

96 % der Kinder haben keine Fieberkrämpfe. 4 % aller Kinder erleiden einen oder mehrere Fieberkrämpfe im Laufe ihrer Kindheit. Diese lassen sich aber durch die Gabe von fiebersenkenden Mitteln nicht vorbeugen, verhindern, oder gar beenden! Jede Empfehlung in diese Richtung ist eine Irreführung und lässt sich wissenschaftlich nicht belegen.

 

Wenn Sie das Thema interessiert! Der Anthroposophische Kinder- und Jugendarzt Prof. David Martin und neue Lehrstuhlinhaber für Integrative Medizin an der Uni Witten/Herdecke hat eine Internetseite eingerichtet zum Thema: www.warmuptofever.org. In verschiedenen kurzen Filmen erklärt er die Vorzüge des Fieberns. Lassen Sie sich weiter überraschen – und Ihr Kind fiebern, wenn es mal wieder so weit ist.

 

Übrigens – nun wirklich zum Abschluss: das gilt alles genauso für Erwachsene ☺

 

Dr. med. Jost C. Deerberg, Kinder- und Jugendarzt, seit 2005 in eigener Praxis niedergelassen in Ottensen.

Vorstand im Verein: „Ärzte für Individuelle Impfentscheidung e.V.“