Bildungsgarantie und Normalität für Kinder und Jugendliche – Jetzt!
Nach monatelangen Schul- und KiTa-Schließungen, die mit Abstand zu den längsten in Europa zählen, schuldet die Politik unseren Kindern und Jugendlichen jetzt vor allem eines: Normalität. Das
heißt offene KiTas und Schulen mit vollumfänglicher Bildung,Teilhabe, Freizeit- und Sportangeboten sowie Hygieneregeln, die vorrangig Lern- und Entwicklungschancen sowie das Wohlbefinden von
Kindern berücksichtigen, anstatt weit über das hinauszugehen, was man Büroangestellten zumuten mag.
Wir dürfen Kindern nicht länger vermitteln, dass sie eine Gefahr für Freunde, Lehrkräfte und ältere Familienmitglieder sind. Sie müssen sich in Schulen, KiTas und dem gesellschaftlichen Leben
endlich wieder willkommen fühlen. Schulschließungen und Einschränkungen für Kinder sind keine Vorsorge, sondern eine Hochrisikostrategie.
Die Pandemiepolitik mit monatelangen Beschränkungen des Schul- und Betreuungsbetriebs, Kontakt- und Sportverboten hat die Bildungs- und Lebenschancen, die psychische und die physische Gesundheit
vieler Kinder und Jugendlicher schwer beeinträchtigt und soziale Ungleichheiten vertieft.
Repräsentative Umfragen zeigen, dass Eltern geschlossene Bildungs- und Betreuungseinrichtungen und die befürchtetenKonsequenzen für ihre Kinder weit mehr Sorge bereiten, als die Angst um das
eigene Einkommen und den Arbeitsplatz. Die Gewalt gegen Kinder ist im vergangenen Jahr dramatisch gestiegen.
Die Belastungen sind für Familien mit geringem Einkommen, Alleinerziehende und Familien mit Migrationshintergrund besonders schwer. Der mit der Pandemiepolitik verbundene Bewegungsmangel, ein
starker Anstieg passiver Bildschirmzeit und ungesündere Ernährung fördern auch langfristig Übergewicht – heute schon einer der Hauptrisikofaktoren für die öffentliche Gesundheit in
Deutschland.
Die vollständige oder teilweise Schließung von Bildungs- und Betreuungseinrichtungen ist keine angemessene Vorsorgemaßnahme, sondern eine Hochrisikostrategie mit schwerwiegenden Folgen für
Kinder, Jugendliche und ihre Familien, die wir uns nichtlänger leisten können.
Einschränkungen für Kinder und Jugendliche sind nicht gerechtfertigt. Es ist wissenschaftlicher Konsens, dass Kinder und Jugendliche selbst nur in seltenen Fällen schwer durch eine Infektion mit
SARS-CoV-2 erkranken und in der Regel schnell genesen. Auch die unter Long COVID diskutierten Symptome treffen Kinder selten und nicht oder kaum häufiger als Gleichaltrige, die nie eine
SARS-CoV-2-Infektion durchlaufen haben.
Kontaktnachverfolgungsstudien zeigen, dass ungeimpfte Erwachsene sehr viel häufiger als Kinder Infektionen in Schulen tragen. Ausbrüche in Schulen betreffen meist nur wenige Personen.
Virusübertragungen finden deutlich öfter im häuslichen Umfeld statt. Die bloße Vermutung, das könnte bei neuen Virus-Varianten anders sein, reicht nicht aus, um Kinder erneut massiv
einzuschränken. Diesen Weg ist Deutschland im Wintergegangen - nur um feststellen zu müssen, dass andere Länder geregelten Schulunterricht und Betreuung sicherstellen konnten - bei
vergleichbarem Pandemieverlauf.
Das darf sich nicht wiederholen. Erwachsenen, insbesondere den für schwere Verläufe anfälligen älteren Personen, stehen effektive Impfstoffe zur Verfügung. Kinder zum Schutz erwachsener
Kontaktpersonen weiter einzuschränken, ist nicht mehr zu rechtfertigen. Jugendliche ab 12 können nach geltender STIKO Empfehlung ihr geringes Risiko für einen schweren Verlauf der Erkrankung und
mögliche Folgeschäden mit einer Impfung weiter senken, wenn sie dies wünschen.
Doch das muss Privatsache bleiben. Die Impfung darf weder als Voraussetzung für einen regulären Schulbetrieb gelten, noch dürfen ungeimpfte Kinder und Jugendliche stigmatisiert oder
benachteiligt werden. Hygiene- und Quarantäneregeln müssen auf den Prüfstand. Der Blick in europäische Nachbarländer lohnt:
● Dänemark hat die Maskenpflicht in Schulen abgeschafft; andere Länder wie England, Niederlande und Norwegen verzichten darauf zumindest für Grundschulkinder.
● Schweden, Norwegen und die Schweiz (Kanton Zürich) testen Kinder und Jugendliche nur bei lokalen Ausbrüchen. Aus gutem Grund: Massentests asymptomatischer Kinder suggerieren
ihnen permanent, dass sie als Gefahr wahrgenommen werden. Sie sind unwirtschaftlich, denn sie zeigen nur wenige positive Ergebnisse, die besonders bei geringer lokaler Verbreitung von SARS-CoV-2
im Nachtest in der Mehrzahl der Fälle nicht bestätigt werden.
Die für regelmäßige Testung aller Schülerinnen und Schüler eingesetzten Mittel können sinnvoller z.B. in eine baulich-funktionelle und digitale Modernisierung der Schulen eingesetzt werden
oder in pädagogische Angebote für Kinder, deren Lernfortschritte unter den langen Schulschließungen besonders gelitten haben.
● England und die Schweiz (Kanton Zürich) setzen auf Tests anstatt auf Quarantäne für asymptomatische Kontaktpersonen infizierter Schulkinder. Neue Studien zeigen, dass
das eine genauso effektive Eindämmung verspricht. Dänemark und die Niederlande sehen Quarantäne nur für enge Kontaktpersonen vor. Das zeigt: Quarantäneregeln müssen nicht zu Klassen- oder
Schulschließungen durch die Hintertür führen.
Hier stehen vor allem die Gesundheitsämter in Zusammenarbeit mit dem Robert Koch-Institut in der Verantwortung, geeignete Konzepte auszuarbeiten und konsequent umzusetzen, durch die eine
Schließung ganzer Klassen oder Schulen und übermäßig lange Quarantäne vermieden werden können.
● Norwegen verschärft bei zugespitzter epidemischer Lage die COVID-Regeln an Schulen nur lokal nach sorgfältiger Abwägung der Folgen für Kinder. Für Klassenteilung in
Grundschulen wird zusätzliches Personal eingestellt, um weiter Präsenzunterricht zu gewährleisten, ohne Eltern als unausgebildete Lehrkräfte in die Pflicht zu nehmen.
Kinder haben in den letzten eineinhalb Jahren enorm viel geschultert. Wir müssen wieder eine Gesellschaft werden, in der Erwachsene in einer Notlage Kinder schützen und sich nachhaltig für
ihre Interessen einsetzen, nicht umgekehrt. Das ist das beste Aufholprogramm, das Staat und Gesellschaft jetzt bieten können. Es ist unsere Pflicht, Kinder und Jugendliche als das zu behandeln,
was sie sind: Unsere Schutzbefohlenen und ein Versprechen auf eine gute Zukunft.
Wir fordern deshalb:
● Normalität für Kinder und Jugendliche jetzt mit Regelbetrieb in Bildungs und Betreuungseinrichtungen und bei Freizeitaktivitäten – ohne Wenn und Aber.
● Kindgerechte Hygienemaßnahmen in Schulen und Gemeinschaftseinrichtungen, die Lern- und Entwicklungschancen und das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen genauso berücksichtigen wie den
vermuteten Eindämmungsnutzen.
● Beendigung ineffektiver, in der Masse extrem kostenintensiver und belastender Testungen bei asymptomatischen Kindern ohne einen konkreten Anlass.
● Die Vermeidung überzogener und unverhältnismäßiger Quarantäneregeln.
● Gleichstellung aller Kinder und Jugendlichen mit geimpften und genesenen Erwachsenen. Der Zugang von Kindern und Jugendlichen zur Teilhabe an Bildung, Kultur und anderen Aktivitäten des
sozialen Lebens darf nicht vom Vorliegen einer Impfung abhängig gemacht werden.
Der Vorstand Initiative Familien Heike Riedmann, Zarah Abendschön-Sawall, Sabine Kohwagner, Stephanie Schläfer initiiert durch Landesgruppe Berlin Initiative Familien Dr. med Christine Busch, Dipl-Psych. Allia Hammami, Andrea Martin, Ulrike Abromeit, Anna Renner und Milan Renner mit Unterstützung von Prof. Dr. med. Johannes Hübner, Kinder- und Jugendmedizin, Pädiatrische Infektiologie Prof. Dr. med. Arne Simon, Kinder- und Jugendmedizin, Pädiatrische Infektiologie Prof. Dr. med. Ursel Heudorf, Fachärztin für Kinderheilkunde und für Öffentliches Gesundheitswesen, ehem. stellvertretende Leiterin des Gesundheitsamtes der Stadt Frankfurt am Main Dr. Peter Walger, Vorstand Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene e.V. (DGKH), Internist, Intensivmediziner und Infektiologe Prof. Dr. Klaus Stöhr, virology, epidemiology.
Former: Director WHO Global Influenza Program and SARS Research Coordinator. Novartis Univ. Prof. Dr. Nikolaus Haas, Präsident Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler e.V. (DGPK)
Kontakt: Berlin@initiativefamilien.de