Für ein neues Miteinander und Gesundheitsverständnis

Für ein neues Miteinander und Gesundheitsverständnis

 

12 Schritte aus der Corona-Krise

 

Der bisherige Umgang mit der Covid-19-Pandemie hat die Gesellschaft bis hinein in Familien, Freund- und Partnerschaften verunsichert und gespalten. Darunter leiden die gesamte Gesellschaft, der soziale Zusammenhalt, Rechtsstaat und Demokratie. Auch die psychischen Folgen für Menschen aller Altersgruppen sind inzwischen nicht mehr zu übersehen. Zahlreiche Initiativen, Gruppen und Kollektive haben sich Gedanken über eine neue Sichtweise auf die Corona-Krise, ein anderes Gesundheitsverständnis und vor allem einen alternativen Umgang mit Covid-19 gemacht. Diese Überlegungen wurden zu einer gemeinsamen Empfehlung von „12 Schritten aus der Krise“ kondensiert. Wir bitten Politiker*innen aller Parteien, Medien und Meinungsbildner*innen, sich diese Empfehlungen zu Herzen zu nehmen und für ihre Diskussion und Umsetzung einzutreten. Gemeinsam wollen wir die gegenwärtige Spaltung der Gesellschaft überwinden.

 

1. Pluraler Diskurs, Meinungsvielfalt und Toleranz

 

Die Anerkennung einer Vielfalt von Haltungen und Sichtweisen und ein respektvoller, offener und toleranter Diskurs sind Voraussetzungen für die demokratische Lösungsfindung. Diffamierende und ausgrenzende Begriffe wie „Verschwörungstheoretiker“, „Corona-Leugner“, „Aluhutträger“ oder „Covidiot“ verschärfen die gesellschaftliche Spaltung. Politiker*innen, Journalist*innen und Expert*innen, welche diese Begriffe verwenden, bitten wir, solche Wertungen durch Sachargumente zu ersetzen. In den Qualitätsmedien sollte das gesamte konstruktive Spektrum der Positionen und Vorschläge zum Umgang mit der Corona-Pandemie ausgewogen zu Wort kommen und sachlich kommentiert werden. Der Dissens in der Wissenschaft zu praktisch allen Maßnahmen sollte deutlicher sichtbar gemacht werden. Demokratie lebt vom - wertschätzend - kontroversen Diskurs.

 

2. Gesundheit für alle und eine gesundheitsförderliche Politik


 

Die Corona-Krise (und erwartbare künftige Pandemien) ist für uns Anlass, eine umfassende und gesundheitsförderliche Gesamtpolitik anzustreben, die Gesundheit als körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden begreift und allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit ermöglicht. Die Grundlagen dafür wurden 1986 mit der international verabschiedeten Ottawa-Charta der Weltgesundheitsorganisation ausführlich beschrieben und von der WHO als global gültige Strategie beschlossen. Im Geiste dieser Charta empfehlen wir, die Menschen als die Träger*innen ihrer Gesundheit ernst zu nehmen, zur Eigenverantwortung zu ermächtigen und für umfassende Gesundheitskompetenz und gesundheitsdienliche Lebenswelten zu sorgen. Diese Aufgabe erfordert interdisziplinäre und ganzheitliche Beratungsprozesse, die eine systemische Sicht auf gesunde und krankmachende Lebensverhältnisse eröffnen und so ausgewogene, maßvolle und wirksame Handlungsstrategien ermöglichen.

 

3. Covid-19 ins Verhältnis setzen

 

Die Überfokussierung auf Covid-19 als scheinbar größte Gesundheitsgefahr sollte zugunsten einer realitätsnahen Risiko-Kommunikation aufgegeben werden. Öffentlichkeitswirksame Dashboards von Gesundheitsministerien und -ämter würden nur Sinn ergeben, wenn darauf die zumindest zehn größten Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung in einer vergleichenden Übersicht dargestellt würden, sowie die Maßnahmen zur Prävention und zur Bewältigung dieser Gefahren ebenso transparent dargestellt werden wie ihre Wirkungen auf Gesundheit, Psyche, den sozialen Zusammenhalt, die Verteilung, Grundrechte und Demokratie. Absolute Zahlen sind durch relative zu ersetzen, einseitige Angstmache ist zu beenden. Menschen, die z.B. allein im Auto oder am Fahrrad mit Maske fahren, sind über die tatsächliche Gefahrenlage aufzuklären.

 

4. Ganzheitliche Strategien für Immunität und Resilienz

 

Kollektive Immunität gegen SARS-CoV-2 und weitere Krankheitserreger ist ein Zusammenwirken von gesellschaftlicher Aufklärung und Vorbeugung, Menschen mit starkem Immunsystem, Kreuzimmunitäten aus vorangegangenen Infekten, Genesung nach überstandener SARS-CoV2-Infektion und Impfungen. Gesundheitsministerien, Gesundheitsämter, Ärzt*innen und Medien sollten über die komplexe Wirkungsweise des menschlichen Immunsystems einschließlich zellulärer und Kreuzimmunität aufklären und Informationen zur Stärkung des Immunsystems und individueller Resilienz anbieten. Die Bedeutung von Bewegung, Ernährung, Nähe, Berührung und Beziehung sollte hervorgehoben und der Abbau von Stress und Angst auf allen Ebenen forciert werden.

 

5. Eigenverantwortung und Solidarität

 

Statt Zwangsmaßnahmen Die staatlichen Organe sollen die Menschen zum selbstwirksamen und gesundheitskompetenten Umgang mit den Risiken durch die Corona-Pandemie befähigen. Die Impfung verstehen wir vornehmlich als Eigenschutz vor schwerer Erkrankung. Sie schützt aber nicht sicher vor der Infektion und Weitergabe des Virus. Alle selbstbestimmten oder gemeinschaftlich vereinbarten Schutzmöglichkeiten wie Impfungen, Testverfahren, Masken, Arzneimittel, Bildungsaktivitäten oder andere wirksame Aktivitäten werden solidarisch finanziert und frei zur Verfügung gestellt. Die individuelle Wahl der Mittel wird respektiert, in keine Richtung wird Druck ausgeübt, geschweige denn die Wahl bestimmter Mittel oder Strategien diffamiert. Die Mehrheit der Bevölkerung ist durch Infektionen mit Coronaviren und Impfungen inzwischen immunisiert, so dass Covid-19 Teil des allgemeinen Lebensrisikos geworden ist, mit dem Menschen eigenverantwortlich und solidarisch umgehen können. Die Impfentscheidung muss frei, persönlich und geheim bleiben. COVID-19- Impfungen erfolgen nur nach Aufklärung über die bedingte Zulassung und mögliche Nebenwirkungen. Es ist inzwischen gesichert, dass die natürliche Immunität breiter und anhaltender ist als Immunität durch Impfung. Zur Vermeidung unnötiger Impfungen werden kostenlose Antikörper- und Gedächtniszellen-Tests oder andere geeignete Messverfahren des Immunstatus angeboten. Statt die Teilhabe am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben von einer Impfung abhängig zu machen, halten wir es für zielführender, Menschen so umfassend mit Informationen zu versorgen, dass sie eigenverantwortlich mit dem Risiko für sich und andere umgehen können.

 

6. Sinnvolle Nachweisverfahren für Infektionen und Gefährdungen

 

Testverfahren werden wieder dort verortet, wo sie verlässlich und kompetent durchgeführt werden können: in die Arztpraxen und Krankenhäuser beim Vorliegen von Symptomen, als Teil der ärztlichen Diagnostik und Behandlung und mit Klärung der jeweiligen Infektiosität. Die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung durch Gesunde ist sehr gering, insbesondere bei Kindern, die durch die Tests mit ihren häufig falsch positiven Ergebnissen und daraus folgende Quarantänemaßnahmen psychisch enorm belastet werden. Durch Einstellen der anlasslosen Massentests werden nicht nur Plastikmüllberge vermieden, sondern auch Ausgaben, Ängste und Aussonderungsprozesse in Schulklassen oder an Arbeitsplätzen.

 

7. Erweiterung der medizinischen und therapeutischen Optionen

 

Intensivstation, Intubation, Impfung – diese drei „I“ haben die öffentliche Darstellung des medizinischen Umgangs mit der Coronapandemie beherrscht. Sehr viel öffentliches Geld ist in die Entwicklung und den Ankauf von Impfstoffen geflossen. Aber Medizin kann mehr und ist vielfältiger in ihren Ansätzen. Impfung wird folglich nicht mehr als einzige Lösung dargestellt. Medikamentöse Therapieoptionen sind ebenso wichtig und die Forschung und Anwendung benötigt mehr öffentliche Förderung und Aufmerksamkeit. Ärzt*innen und medizinische Einrichtungen, die mit therapeutischen und präventiven Methoden erfolgreich arbeiten, werden in die fachlichen Diskurse eingebunden. Um das Gesundheitssystem zu entlasten, werden Erkrankte so weit wie möglich zu Hause behandelt.

 

8. Kontrolle der (Pharma-)Konzerne

 

Die öffentliche Förderung von Pharmafirmen wird an angemessene Gewinne und freie Lizenzen gekoppelt. Die Praxis, dass der Staat die Entwicklungskosten von Impfstoffen, Arzneimitteln und weiteren Angeboten finanziert, sämtliche Rechtskosten für Impfschäden übernimmt, und die lukrativen Verträge geheim bleiben, wird zugunsten einer Gemeinwohl-Ausrichtung des Gesundheitssektors überwunden. Im Pandemie-Fall sollte das Patentrecht ausgesetzt werden, um auch ärmeren Ländern den Zugang zu Medikamenten zu sichern. In allen Branchen müssen die Lockdown-bedingten Konzentrationsprozesse rückgängig und strengere Fusionskontrollen durchgeführt sowie eine globale Fusionskontrolle eingeführt werden. Die monopolgleichen Internet-Plattformen sind durch öffentliche Plattformen mit demokratisch gebildeten Community-Regeln (u. a. Datenschutz, Werbefreiheit und Open source-Prinzip) zu ersetzen. Zur Dekonzentration der Macht in der Wirtschaft sollen regionale und gemeinnützige Unternehmen gefördert werden.

 

9. Kinder und Jugendliche achtsam wahrnehmen und bestmöglich beschützen

 

Kinder und Jugendliche erkranken in der Regel nicht schwer an COVID-19. Andere Krankheitserreger und Gesundheitsgefahren (Grippe, Unfälle, Gewalt, Suizid oder psychosoziale Belastungen) sind bedeutsamer. Kinder geben Sars-Cov-2 Viren seltener weiter als Erwachsene. Vergangene Lockdowns und Schulschließungen wirken sich negativ auf das körperliche und seelische Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen aus. Die Schule und die Lebensräume von Kindern müssen zu einem gesundheitsfördernden Umfeld werden, in dem Spiel, Freude, Begegnung und Lernen in angstfreier Atmosphäre möglich ist. Bildungs- und Freizeiteinrichtungen für Kinder und Jugendliche können masken- und testfrei, also ohne Einschränkungen zur Verfügung gestellt werden. Ein Impfdruck und Impfwerbungen für Kinder und Jugendliche sind ebenso überflüssig wie angstbasierte Drohungen über ihre Infektiosität gegenüber Erwachsenen. Kinder, die während der Pandemie besonders gelitten haben, brauchen maßgeschneiderte gesundheitsfördernde Maßnahmen. Ansteckungsängste von Pädagog*innen werden respektiert und ernst genommen, Unterstützung bei der Bewältigung wird bei Bedarf angeboten.

 

10. (Hoch-)Risikogruppen schützen und begleiten

 

Der Schutz älterer Menschen oder anderer (Hoch-)Risikogruppen benötigt innovative und wirksame Strategien, deren Entwicklung und Umsetzung öffentlich gefördert werden muss. Die besonders hohen Todesraten bei Pflegeheimbewohner*innen (teils über 70 Prozent aller Todesfälle bis ins Frühjahr 2021) geben Anlass für eine strukturelle Neuorientierung in der stationären Versorgung. Konzepte für eine kleinteilige und familienähnliche Versorgung liegen vor (erarbeitet z.B. vom Kuratorium Deutsche Altershilfe), die mehr Lebensqualität für die Menschen und attraktivere Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal bieten. Sterben und Tod müssen wieder als ein Teil des Lebens angenommen werden und die Würde und Selbstbestimmung der betroffenen Menschen ist stärker zu achten. Eine „Kultur des Sterbens“ sollte als Bildungsaufgabe begriffen und in der Ausbildung von Ärzt*innen und Care-Berufen einen entsprechenden Stellenwert erhalten.

 

11. Wirtschaften in planetarer Verantwortung

 

Die Übertragung von Infektionskrankheiten vom Tier auf den Menschen (Zoonosen) nimmt infolge unserer Wirtschaftsweise, die den Lebensraum der Tierwelt immer mehr einschränkt, stark zu. Die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen und die Entfremdung des Menschen von der Natur werden weitere Pandemien bedingen. Eine Wirtschafts- und Lebensweise, die das ökologische Gleichgewicht wahrt und einen nachhaltigen Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen erreicht, ist die wirksamste Prävention von Virus-Pandemien. Die Entwicklung einer strukturell nachhaltigen Wirtschaftsweise (z.B. Gemeinwohlökonomie, Kreislaufwirtschaft) muss umfassend gefördert und schnellstmöglich umgesetzt werden.

 

12. Eine neue demokratische Kultur

 

Der demokratische Staat vertraut auf die die Alltagsexpertise der Bürger*innen aufgrund ihrer unterschiedlichen Lebenserfahrungen; er versteht die Verschiedenheit ihrer Perspektiven, Interessen und Kompetenzen als Ressource zur Lösungsfindung für neue gesellschaftliche Fragen und als Quelle für das gesellschaftliche Wachsen und Werden.

 

Eine „Politik des Zuhörens“ auf breiter Basis und eine Kultur der bürgerschaftlichen Selbstorganisation mit dem Ausbau der kommunalen Selbstverwaltung stehen jetzt an. In der Pandemie haben viele Gemeinden und Städte bewiesen, dass sie auf das Infektionsgeschehen kreativ und erfolgreich reagieren und auch Krisen bewältigen können. Lokale, bürgernahe und partizipative Strategien waren oft erfolgreicher als zentral verordnete Regeln, der Kollaps des Gesundheitssystems wurde häufig auf der lokalen Ebene verhindert.

 

Wir empfehlen „Runde Tische“ und kommunale Gesundheitskonferenzen zur Steuerung der Gesundheitsversorgung und Bewältigung sozialer Risiken. Ein bundesweiter Bürger*innen-Rat könnte innovative Strategien im Umgang mit Covid-19 und anderen Gesundheitsgefahren erarbeiten. Die Corona-Pandemie mahnt dazu, die Demokratie neu zu formieren und das Vertrauen in die „Lösungskompetenz sozialer Prozesse“ zu stärken sowie zu institutionalisieren.

 

Dafür erweist sich die aktuelle Krise auch als Chance.

 

Deutschland, Österreich, Schweiz, am 15. Oktober 2021.

 

Die Unterzeichnenden